Berlin Reichssportfeld und Sportorganisationen
4. Fortsetzung
13.10.2023
Damit war eine deutsche Olympiateilnahme auch Anfang 1896 noch nicht gesichert und Gebhardt versuchte mit seiner Schrift Soll Deutschland sich an den Olympischen Spielen beteiligen? Ein Mahnruf an die Deutschen Turner und Sportmänner, sein Ziel zu erreichen

Diese im Nachdruck aufgelegte Schrift (1995 im AGON SPORTVERLAG, im Auftrag des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland) ist absolut lesenswert und belegt eine olympische Vision von Willibald Gebhardt, die ihrer Zeit voraus war und den Deutschen Turnerbund nicht umstimmen konnte bezüglich der Ablehnung zu den olympischen Spielen.
Seitens der offiziellen Verbände war Gebhardt also kein Erfolg vergönnt, aber seine direkte Ansprache von Sportlern und mit der Rückendeckung durch die zugehörigen individuellen Vereine konnte er 3 ½ Wochen vor Beginn der Spiele eine Olympiamannschaft mit 20 Sportlern an das IOC melden und war Leiter der deutschen Mannschaft und als Kampfrichter nominiert. Olympia Athen wurde für Deutschland unter 12 Nationen ein siegreicher Einstieg! Coubertin konnte damit Deutschland nicht mehr „aus dem Weg gehen“ und Gebhardt wurde Mitglied im IOC.

ATHEN 1896-1996.
Erwähnenswert sicherlich Carl Schumann als erster deutscher Gewinner einer
Goldmedaille 1896

und Fritz Hoffmann war nicht nur im Turnen erfolgreich, sondern Silbermedaillengewinner über 100m-Lauf und auf der folgenden Ansicht Dritter von rechts mit „Startstöckchen“

Hermann Weingärtner holte mit der Mannschaft in den Disziplinen Reck und Barren die Goldmedaille und passend zur Marke im Pferdsprung auch die Bronzemedaille.

Die Vettern Gustav und Alfred Flatow waren im deutschen Mannschaftsturnen Reck und Barren ebenfalls Goldmedaillegewinner und wurden tragisch beide als Juden im KZ – Theresienstadt 1942/45 ermordet. In Erinnerung an 100 Jahre olympische Spiele der Neuzeit wurde in der Sportmarkenserie der Cousins Flatow gedacht und auch die ehemalige Reichssportstraße, die auf den Coubertin Platz zuläuft, wurde nach ihnen umbenannt.


Ich habe die überragenden Turner in Athen teils ausführlicher vorgestellt, um einerseits den deutschen Turnsportstandard zur damaligen Zeit zu beleuchten und um andererseits die Schwierigkeiten von Gebhardt zu erwähnen, der trotz dieser Erfolge in der Heimat und den dortigen offiziellen Turnverbänden keine ungeteilte Resonanz fand!
Aber in der Öffentlichkeit und auch unter den Sportlern selbst war das Thema OLYMPIA nicht vergessen und teils unter schwärmerischer Vorstellung zur glorreichen antiken Geschichte all gegenwärtig.
Auf dem X. DEUTSCHEM TURNFEST zu Nürnberg 1903 kam in der Serie der offiziellen Postkarten der Turnfestleitung zum Festzug die „No.3 Die olympischen Spiele im Festzug“ mit entsprechender vor- und rückseitiger Bebilderung zur Darstellung. Auch später wurde häufig in der Sportphilatelie der Bezug zur Antike gesucht und dazu beispielhaft noch die Briefmarke aus dem Saarland zur Olympiade Melbourne 1956 einmal im 12 Franc - Wert.

Die Interpretation zur Saarmarke gerät etwas schwierig. Der Stecher der Marke (Raoul Serres, Frankreich) mit Produktion in der französischen Postwertzeichendruckerei Paris wählte einen Jünglingskopf als Detail aus dem Fries des Triumphbogens in der italienischen Stadt Benevent zu Ehren des siegreichen Kaisers Trajan. Der Michelkatalog führt hier fälschlich an – Jünglingskopf: Statue eines Siegers von Benevent. Eine Statue war es meines Wissens nach nicht, aber die Marke symbolisiert eventuell die siegreiche olympische Idee, denn 1956 durfte das Saarland nach dem 2. Weltkrieg erstmals mit Sportlern an der Olympiade in Melbourne - Australien im Rahmen der neu gebildeten gesamtdeutschen Mannschaft von Ost- und Westdeutschland teilnehmen. Nur farblich konnte man sich wohl anfangs nicht richtig festlegen und entscheiden, wie die folgende Abbildung dokumentiert

Die olympischen Spiele 1900 in Paris und 1904 in St. Louis gerieten in der Kombination mit Weltausstellungen und protrahiertem zeitlichen Verlauf in die Kritik von Gebhardt mit Folge der Distanzierung von Coubertin. Vermutlich scheiterte damit Gebhardts Idee ein Olympia in Deutschland für 1908. Er war zudem im Interessenspiel vielseitiger Funktionäre auch in Deutschland als relativ mittelloser Bürgerlicher ohne zwingende Durchsetzungskraft. Kaiser Wilhelm der II. wollte zu Begin des 20. Jahrhunderts den Grunewald als Sportfeld für die Bevölkerung freigeben. Graf Egbert von der Asseburg wurde nun im Jahr 1905 Vorsitzender im neu gebildeten Deutschen Reichsausschuss für Olympische Spiele und war zudem als Vorstandsmitglied im Union-Club vertraut und unterstütze die Pläne im Grunewald evtl. ein deutsches Stadion innerhalb einer Pferderennbahn in Berlin zu verwirklichen

Graf Egbert von der Asseburg
Es wird durchaus unter Historikern diskutiert, ob das zweite deutsche Mitglied damals im IOC mit dem Grafen Wartensleben in Absprache mit Graf Egbert von der Asseburg durch intrigenhaftes Verhalten Willibald Gebhardt aus dem IOC drängten und Gebhartdt sich anscheinend widerstandslos aus der olympischen Szene zurückzog und Coubertin seinen Abschied mitteilte.
Im Jahr 1909 brachte die 10. IOC – Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees mit der ersten Sitzung auf deutschem Boden im neuen Hotel Adlon am Pariser Platz die Berliner Olympiapläne in Konkurrenz zu Stockholm zunächst an die Spitzenposition.

Auf der 11. IOC – Sitzung zog Deutschland dann aber seine Bewerbung für die Ausrichtung der Olympiade 1912 zurück, finanzielle Unwägbarkeiten und der plötzliche Tod von Asseburg brachten die Bewerbung zu Fall und unter seinem Nachfolger Victor von Podbielski bekam Deutschland schließlich auf der IOC Sitzung 1912 dann den Zuschlag für das Jahr 1916. (Nebenbei bemerkt hatte Podbielski die geplante Finanzierung des nötigen Stadions unter seinen betuchten Reiterfreunden im Union Club und Berliner Rennverein per Anleihe mobilisiert und in Finanzdingen war er übrigens auch als preußischer Landwirtschaftsminister routiniert und schon einmal nach Insidergeschäften 1906 aufgefallen und hat sogar die Regierung in Bedrängnis gebracht).
Gebhardt zog sich ins Privatleben zurück und kam durch einen Verkehrsunfall ums Leben, aber auf dem Reichssportfeld wurde im Jahr 1936 immerhin mit dem Gebhardt – Platz seiner erinnert. Vermutlich war auch in diesem Fall Carl Diem Namensgeber in Erinnerung an seine Übereinstimmung mit Gebhardt bezüglich der olympischen Idee und ihrer erstrebenswerter Verwirklichung.

Fortsetzung folgt