Berlin Reichssportfeld und Sportorganisationen
1. Fortsetzung
31.08.2023
Jahn kam ab dem Jahr 1808 in Berlin in der Plamann Erziehungsanstalt (Internat für Knaben) mit Karl Friedrich Friesen in Kontakt – beide waren dort pädagogisch tätig - und beide entwickelten auch die Turnkunst weiter über die Leibesübungen hinaus zum umfassenden Sport mit Geräteturnen, Schwimmen, Wandern und Sportspielen. Darüber hinaus engagierte sich Friesen mit Gründung einer Gemeinschaft zur Fechtkunst. Jahn und Friesen verbanden ihre sportliche Begeisterung politisch stets mit der nationalen Idee und ein gemeinsames Werk formulierte schon in den Jahren 1810/11 die Forderung einer akademischen deutschen Burschenschaft. Die Befreiung von den Franzosen auch mit Waffengewalt war unwidersprochen mit idealistischer Begeisterung und Mitgliedschaft im Freikorps Lützow fast zwangsläufig zu nennen.
rückblickend gehörte auch Theodor Körner mit Jahn und Friesen zu den Freiheitsidolen
Theodor Körner war deutscher Dichter und Patriot und auch für ihn war das Korps der Freiheitskämpfer unter Lützow eine innere Pflicht. Zu seinem 200.Geburtstag war dies Anlass der Dt. Post für Körner zum Gedenken eine Blockausgabe aufzulegen (12.Sept. 1991).
An dieser Stelle bedarf es doch eines Rückblickes auf das Freikorps Lützow, denn sowohl Körner und Friesen kamen mit diesem Freiwilligenverband bei Kampfhandlungen 1813 bzw. 1814 zu Tode.
Am 3.2.1813 legitimierte Preußen die Aufstellung von freiwilligen Kampfverbänden als Königlich Preußisches Freikorps im Staatsheer und renommierte Zeitgenossen wie oben angeführt warben für die Mitgliedschaft auch unter der Idealvorstellung einer deutschen Kampftruppe endlich unabhängig von geltenden deutschen Staatsgrenzen. Das Freikorps unter Major Lützow erreichte eine maximale Truppenstärke von ca. 3500 Mann bunt zusammen gewürfelt mit auffälliger Kleidung im schwarzen Farbton, roten Absatznähten und goldfarbenen Messingknöpfe und daraus entwickelten sich anscheinend auch die Deutschlandfarben schwarz, rot gold. Militärisch waren die Erfolge „im Range dieser soldatischer Selbstversorger“ eher bescheiden, aber ihr Image war entscheidend geboren und Körners Lied „das ist Lützows wilde, verwegene Jagd“ ist über 2 Jahrhunderte ein Begriff geblieben. Auch schon vor 117 Jahren auf dem Turnfest in Nürnberg im Jahr 1903 werden verklärt die Lützower im Festzug mitgeführt und unter dem Bild von Turnvater Jahn auch auf einer Privatganzsache „No.5“ festgehalten, die rückseitig noch ein Feldlager der Söldner der Lützower abbildet. Die Lithografie gab es eingedruckt mit 5Pfennig Bayern aber auch ohne Werteindruck zur Markenverwendung.
Dazu folgend die Sonderstempelausschnitte zum X. DEUTSCHEN TURNFEST
in Nürnberg. Poststempeldaten 17. und 22. Juli 1903
Zurück zu den Anfängen des 19. Jahrhunderts. Jahn geriet in Kollision mit den etablierten und wenig reformfreudigen politischen Gegebenheiten auch nach der siegreichen Völkerschlacht über Napoleon 1813 bei Leipzig. Seine propagierten nationalen Vorstellungen waren in der verbliebenen deutschen Kleinstaaterei und Preußen unerwünscht, studentische Burschenschaft und die Turnbewegung gerieten politisch 1819 ins Abseits und Jahn selbst kam für 5 Jahre in Haft. Jahre der politischen und turnerischen Isolierung standen an und erst 1840/42 erfolgte seine Rehabilitation bis hin zur Wahl in die Nationalversammlung in Frankfurt im Jahr 1848.
Die vorstehend kurz beschriebene Phase der Turnbewegung löste schon zu Beginn nun dennoch ab dem Jahr 1810 eine große Begeisterung in der Jugend aus mit der Gründung von Turnvereinen in 150 Städten und im Jahr 1818 können schon über 10.000 organisierte Sportler registriert werden!
Sicherlich war Theodor Georgii ein wichtiger Protagonist der deutschen Turnbewegung und findet sich als Georgiiplatz auf dem Reichssportfeld wieder unmittelbar an der Friedrich Friesen Allee unterhalb des Frauen- oder Annaheims (Anna Böß war die Ehefrau des Berliner Oberbürgermeisters Gustav Böß). Bau des Frauenheims schon 1927/28 unter Werner March (s. unten zeitgenössische Ansichtskarte) und ist aktuell Sitz der Olympiapark – Verwaltung. An dieser Stelle der Hinweis, dass aber die Sportlerinnen zur Olympiade 1936 in Berlin im Friedrich-Friesen-Haus einquartiert waren.
Grundsteinlegung Frauenheim
Unterhalb des Frauenheims lag der Georgii Platz. Schon an dieser Stelle der Hinweis, dass das östlich gelegene Amphitheater des Frauenheims im Jahr 1937 der Villa des Reichssportführers Hans von Tschammer und Osten - gebaut durch Werner March - weichen musste. Die Villa (Clubhaus) ist übrigens für Veranstaltungen zu mieten, aber dies wird in aktuellen Coronazeiten sicherlich keine gängige Option sein.
Nachfolgend zugehörige Topografie aus Pharus - Gutenberg - Plan Reichssportfeld und Dietrich – Eckhart – Freilichtbühne und Fotodetail aus Luftaufnahme mit Pfeil über den Georgii – Platz laufend und auf das Annaheim gerichtet und hier noch mit Amphytrion
Nachfolgend noch das Amphitheater oder Tanzring am Frauenheim und Blick auf das
Sportforum im Hintergrund
Aber zurück zu Theodor Georgii als tragende Gestalt in der Etablierung der deutschen Turnfeste ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Theodor Georgii (* 9.1.1826 † 25.9.1892) war seit seiner Jugend begeisterter Turner und Anhänger von Jahn, wurde schriftstellerisch tätig mit Herausgabe der „Deutschen Turnzeitung“, forderte hier die gemeinsame Versammlung der Turner und organisierte nach positiver Resonanz in Coburg 1860 ein erstes deutsches Turnfest mit 1000 Teilnehmern und dieser Zeitpunkt wird auch als Gründungsdatum für dt. Turnvereine in der Deutschen Turnerschaft postuliert und daran erinnert folgende Lithographie aus dem Jahr 1910 zur 50jährigen Jubelfeier.
Die mittleren Medaillons zeigen links Theodor Georgii und Organisator des I. dt. Turnfestes in Coburg 1860 und rechts Ferdinand Götz als Vorsitzender der dt. Turnerschaft und Organisator des Jubelfestes 1910. In den senkrechten Medaillons sind entsprechend den angeführten Zeitepochen die jeweiligen Herzöge von Sachsen – Coburg – Gotha mit Ernst dem II. (*21.6.1818 † 22.8.1893) und Carl Eduard (*19.7.1884 † 6.3.1954) abgebildet.
Fortsetzung folgt